Madame Bovary et l'Éducation sentimentale - Eine Lesereise über Gustave Flaubert

Das Thema unserer Denkwoche zum Schriftsteller Gustave Flaubert wählte Rainer Moritz, Leiter des Hamburger Literaturhauses, nicht ohne Grund: 2021 ist das sogenannte „Flaubert-Jahr“, denn am 12. Dezember 1821 wurde der französische Romancier in Rouen geboren.

Doch, wer war Flaubert eigentlich und was haben dieser großartige Schriftsteller des 19. Jahrhunderts und seine Romane Madame Bovary  aus dem Jahre 1857 und Education sentimentale 1869 mit unserer Zeit zu tun?

Besonders blieb mir bezüglich seiner Biographie in Erinnerung, dass Flaubert ein Meister der Freundschaft war, insbesondere pflegte er sie intensiv mit Maxime du Camp, Iwan Turgenjew, Georges Sand und seinem Schüler Guy de Maupassant. So schmunzelten wir vielfach über die humorvollen, oft derben Briefwechsel Flauberts mit seinen Freunden oder auch mit Louise Colet. In einem seiner Briefe äußert er sich über seine Beziehung zu ihr: „Liebe ist es nicht. Ich habe diese Materie in meiner Jugend so sehr ausgelotet, dass mir davon für den Rest meiner Tage der Kopf brummt. Ich empfinde für dich eine Mischung von Freundschaft, Anziehung, Wertschätzung, Herzensrührung und Sinnesrausch … . Die Liebesgefühle, die einem Tropfen für Tropfen aus dem Herzen sickern, bilden am Ende Stalaktiten“.

Jedoch teilt er mit ihr auch seine Philosophie des Schreibens: „Was ich machen möchte, ist ein Buch über nichts“. Doch, was ist nichts? Flaubert erklärt dies im Folgenden: „Ein Buch, das an nichts Äußerem hängt, das sich durch die innere Kraft seines Stils von selbst hält“.

Gerade beim Roman „Madame Bovary“ gab es unter uns rege Diskussionen, beispielsweise, ob man mit Charles und Emma Mitleid haben darf, wer nun Schuld am Tode Emmas trägt und ob Charles Emma wirklich geliebt hat. Ist es das Schicksal, so wie es Charles formuliert? Obwohl sich Flaubert bei seinem Schreibstil dem Prinzip der impassibilité und der impartialité bedient, will er, dass der Leser am Schluss weint. Es wird überliefert, dass sich Flaubert selbst, beim Verfassen der Todesszene von Emma offenbar mehrmals übergeben hat. Während Madame Bovary schon damals ein Erfolg war, hatte er bei L‘Éducation sentimentale immer das Gefühl, nicht einmal von der Elite verstanden zu werden. Zunächst einmal ist der Titel schon nicht ganz einfach zu verstehen, da er die Vernunft und das Gefühl vereint und somit Ironie kreiert. Selbst viele Übersetzer sind vermutlich daran gescheitert. Im Seminar diskutierten wir rege über die verschiedenen deutschen Übersetzungen von L‘Éducation sentimentale, unter anderem über die neueste Ausgabe von Elisabeth Edl, die sich für die Übersetzung den Titel Lehrjahre der Männlichkeit entschied, und somit den Untertitel Historien d’un jeune homme darin verwob. Zunächst einmal bleibt fraglich, ob in diesem Roman erzogen oder gelernt wird, und des Weiteren weist das Wort Männlichkeit eine Doppeldeutigkeit auf, die jedoch nicht im Flaubert’schen Sinne ist. 

Bemerkenswert ist, dass Flaubert in diesem Roman das Nicht-Vorankommen politischer Geschehnisse (d.h. wechselnde politische Regime) im Individuum, und zwar in Frédéric Moreau, spiegelt. So ist bei diesem Roman vor allem Geduld gefragt, was auch einige Seminarteilnehmer häufig recht ungeduldig machte, vor allem, wenn Flaubert gegen Ende des Romans mitteilt: Und das war alles.  Was bleibt uns aber heute von diesem Roman? Aufgrund seiner besonderen Collagetechnik kann er als der „Vorläufer des zeitgenössischen Romans“ (Sarraute) gelten.

Aus diesem Seminar nehme ich insbesondere mit, dass die Kunst das letzte Wort hat und, dass jedes Thema literaturfähig ist, da es laut Flaubert weder gute noch schlechte Themen gibt. Dies erscheint mir vor allem in Zeiten von Cancel Culture  relevant zu sein.

Außerdem sind durch das Seminar neue Freundschaften entstanden.

Merci beaucoup, dass ich an dieser interessanten Denkwoche teilnehmen durfte.

 

Magdalena Weindl,

Praktikantin und Stipendiatin