15. – 21. Juni 2025:

Individualität oder Gemeinschaft - Der scheinbare Graben zwischen Ich und Wir

(In Zusammenarbeit mit ZEIT REISEN)

 
Verbunden werden auch die Schwachen mächtig
— Friedrich von Schiller

© Saskia Groneberg

Die freie Entfaltung unserer Individualität ist schon lange ein Sehnsuchtsort.

In der um 1700 beginnenden Zeit der Aufklärung ist die Losung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ in Frankreich entstanden. Sie zielte auf wissenschaftliche, aber auch persönliche Freiheit, Bildung, Bürger und Menschenrechte. Kant versprach sich vom freien, unabhängigen und rationalen Denken den „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“. Eine vernunftorientierte Gesellschaft mit Gewaltenteilung und einer kritischen Öffentlichkeit sollte die Probleme des menschlichen Zusammenlebens schrittweise lösen. In den großen Revolutionen in Amerika und Frankreich zum Ende des 18. Jahrhunderts begann mit diesen Begriffen die neue Zeit der „Moderne“ mit liberalen, westlich geprägten Demokratien als typischer Staatsform.

Bald zeigte sich, dass noch etwas fehlte. Hegel wies darauf hin, dass mit der Aufklärung der Bezug zu einem „Orientierung gebendem Höherem verloren gegangen sei. An seine Stelle sei das Prinzip der Nützlichkeit getreten, die letztlich zu Brutalität und Terror geführt habe. Nietzsche kritisierte, dass die wichtigsten, lebendigen Seiten des Menschlichen ausgeblendet seien. Später schreiben Adorno und Horkheimer in der „Dialektik der Aufklärung“, dass diese kalte Freiheit, in allem, also auch in der Natur oder in anderen Menschen vorwiegend das sehe, was man für sich (aus)nutzen kann.

Die Aufklärung hatte Freiheit von äußeren Zwängen gebracht, auch ein hohes Maß an Gleichheit vor dem Gesetz, aber der dritte Aspekt, die warme, Menschen verbindende Brüderlichkeit, war dabei auf der Strecke geblieben. Das kühle Ich hatte das warme Wir überflügelt.

In den 60er bis 80er Jahren des 20. Jahrhunderts nahm die Idee der Aufklärung einen zweiten Anlauf. Die in Kalifornien entstandene Human Potential Bewegung verknüpfte die humanistische Psychotherapie mit Erkenntnissen aus den Weisheitstraditionen der Welt. Danach haben alle Menschen in gleicher Weise ein zunächst unausgeschöpftes individuelles Potenzial, dessen Entfaltung zu Sinnerfüllung, Freiheit, menschlicher Reife und einer deutlich höheren Lebensqualität führt.

Der Blick erweiterte sich also von der äußeren Freiheit von einengenden Begrenzungen hin zu der inneren Freiheit zu einem mit individuellem Sinn erfüllten Leben. Wieder entstand die Hoffnung, dass sich dieser Impuls verbreiten und zu einem erweiterten Wissenschafts- und Gesellschaftsbegriff, einem „New Age“, führen würde. Das Menschenbild wurde zwar vollständiger, aber an die Stelle des kühlen Eigennutzes trat nun die zwar wärmere, aber meist immer noch egoistische Selbstverwirklichung. In den 70er und 80er Jahren wurden diese Ideen dann so gnadenlos kommerzialisiert, dass „New Age“ zum Schimpfwort wurde und die ganze Bewegung für Jahrzehnte kompromittiert war.

Die Brüderlichkeit scheint ganz unter die Räder gekommen zu sein. Der in die Europahymne eingeflossene Satz „Alle Menschen werden Brüder“ trifft bei vielen Menschen nur noch auf höhnischen Spott. Die Aufklärung mit ihren drei Seiten bleibt unvollständig. Individuelle Freiheit ohne tiefe Verbundenheit kann weder befrieden noch erfüllen und schafft nicht einmal ein Gefühl der Sicherheit.

Eine wachsende Zahl von Menschen scheint enttäuscht darüber, dass ihnen die liberale Demokratie zu wenig an Wohlstand und gutem Leben gebracht hat. Statt befreit und verbunden fühlen sie sich eher allein gelassen. So werden sie anfällig für das Versprechen scheinbarer Sicherheit durch Ordnung in straff geführten nationalen oder kleineren Einheiten, die sich wehrhaft nach außen abgrenzen.

Statt die Aufklärung zu vollenden, gewinnen autoritäre Tendenzen, in Staaten von Ungarn bis China, rechtspopulistische Politiker von Wilders bis Trump stellen die Demokratie in Frage, und selbst an den Universitäten gewinnen antiliberale Denker von Carl Schmitt bis Leo Strauss an Einfluss. Nach der Brüderlichkeit wird die individuelle Freiheit verhöhnt als die eigentliche Katastrophe der letzten 300 Jahre, durch die alles in unbeherrschbare, gefährliche Unordnung geraten sei. Die Menschen seien für die Freiheit nicht gemacht und sie bringe statt eines gelingenden Lebens nur Unheil. Für ein gutes Leben müsse sich Freiheit in freiwillige Unterordnung unter eine starke Autorität, Gleichheit der menschlichen Würde in eine im Zweifel erzwungene Konformität und Brüderlichkeit in eine nach außen abgrenzende Blutsverwandtschaft wandeln.

War die Idee der individuellen Freiheit vielleicht ein Fehler? Sind die Menschen vielleicht eher an Wohlstand als an Freiheit interessiert? Schafft der Gedanke der Gleichheit nur gegenseitigen Neid und Aufruhr? Untergräbt die individuelle Freiheit vielleicht sogar die Verbundenheit? Sind die Gedanken von Ich und Wir vielleicht unvereinbar?

Oder lohnt sich ein dritter Anlauf in Richtung Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit?

Diese Fragen werden wir in der Denkwoche bewegen und ihnen immer wieder auf den Grund gehen. Dabei nutzen wir den besonderen Ort, die außergewöhnliche Atmosphäre und die Schönheit der Natur als Quellen der Inspiration.

Durch eigene Reflexion, vertiefende Gespräche und innere Übungen werden wir versuchen, Freiheit, Verbundenheit und grundsätzliche Gleichheit für uns alle spürbar zu machen, um sie für unser eigenes Leben und die uns eigene Umgebung mitzunehmen.

 

die referentin / der referent

Leonie Novotny begleitet Menschen, Familien und Unternehmen sprachlich, kuratorisch und menschlich in der Entfaltung ihrer inneren Schönheit – (er)findet gemeinsam ihre Geschichten, kuratiert die Details und erzählt sie verbindend. So wirkt sie zwischen Kunst, Kultur und Unter­nehmertum, Tastatur und Füllfeder, Theorie und Poesie.

Till Novotnys Grundlagen liegen in einem Management-Studium an der European Business School (in Deutschland, Frankreich und England), diversen Weiterbildungen in humanistischer und systemischer Psychologie, mehr als 10 Jahren Führungsverantwortung und über 30 Jahren Beratungspraxis als Persönlichkeits-, Team- und Unternehmensentwickler.

preis

2.090 € im Einzelzimmer

1.880€ p.P. im Doppelzimmer

Alle Preise inkl. Mehrwertsteuer.

-> Buchungen bitte direkt über ZEIT REISEN

Beinhaltet sind 6 Übernachtungen, ein opulentes Frühstück, ein 2 gängiges Mittagsmenu und ein 3 gängiges Abendmenu, Pausengetränke und Obst zu jeder Zeit. Getränke sind nicht enthalten und werden gesondert abgerechnet.

Für Ihr Wohlbefinden fühlt sich die gesamte Équipe d’Orion zuständig. Gerne stellen wir Ihnen auch eine Weiterbildungsbescheinigung für Ihren Arbeitgeber oder für Ihre Steuererklärung aus. Bitte sprechen Sie uns dazu an.

 

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