12. - 18. Juni 2022:

Vom Nichts und dem Dazwischen - Eine philosophisch-kulinarische Annäherung

Jedenfalls ist es besser ein eckiges Etwas zu sein, als ein rundes Nichts
— Johann Hebbel

Liebe Denkerin, lieber Denker,

wer auf der Suche nach Inspiration und Erholung ist und der Kunst des gelingenden Lebens auf die Spur kommen möchte, der ist im Château d’Orion, dem Gäste- und Kulturhaus am Fuße der Pyrenäen, genau richtig. Wo könnte man besser über Wesentliches nachdenken als unter der alten Platane mit Blick auf Wiesen, Weiden und Wälder oder vereint um einen prasselnden Kamin?

In dieser Denkwoche wollen wir zwei Konzepten, dem Nichts und dem Dazwischen, nachspüren – philosophisch und kulinarisch.

Denken, Pausieren, das gemeinsame Essen und auch einmal das gemeinsame Zubereiten und Anrichten, geben mit Kopf und Hand verschiedene Perspektiven auf das Thema. Wir fragen uns nicht nur, was das Nichts und das Dazwischen eigentlich bedeuten, wie sie sich zur westlichen Denktradition verhalten, sondern wollen sie auch sinnlich erfahren. Denn was passiert mit unseren Gewohnheiten, wenn die einzelnen Gänge einer in japanischer Kaiseki-Manier interpretierten Mahlzeit nicht wie gewohnt zeitlich nacheinander folgen, sondern sich räumlich vor uns auf dem Tisch auf einzelnen Schalen ausbreiten? Was passiert beim Warten auf das Essen, was im Zwischenraum zwischen den einzelnen Keramikschalen auf dem Tisch oder zwischen den einzelnen Gängen? Was ist, wenn sich Nichts auf dem Teller befindet?

 

Das „Nichts“ wird in der westlichen Denktradition gemeinhin als die Abwesenheit von Seiendem gedacht, Nichts ist also dort, wo sprichwörtlich nichts ist. In diesem Sinne ist Nichts die absolute Negation. Diese negative Vorstellung vom Nichts prägt in vielerlei Hinsicht unser Weltbild. Während zen-buddhistische Mönche durch Meditationsübungen gerade in einen Zustand der absoluten Leere gelangen wollen, die sie an die Auflösung der eigenen Subjektivität heranführt, wird das Nichts-tun in modernen, am Leistungsprinzip orientieren Gesellschaften oft als bloße Faulheit abgetan.

In der ostasiatischen philosophisch-religiösen Denktradition existiert hingegen eine radikale Vorstellung des Nichts als absolutes Nichts (mu) oder absolute Leere (sunyata). Dieses absolute Nichts ist gerade nicht Nicht-Sein, sondern gewissermaßen Sein und Nicht-Sein zugleich. Im absoluten Nichts herrscht eine völlige Leere, die allerdings nicht nur als Negation verstanden wird, sondern auch eine positive, affirmative Dimension besitzt. Nichts lässt sich dann verstehen als ein zugrunde liegendes und permanent produktives, rein gegenwärtiges und endlos dynamisches Feld absoluter Relationalität. Es ist die „Fülle des Nichts“, aus der die Realität und die Dualismen unserer kognitiven Wahrnehmung (Subjekt/Objekt, Ich/Du) überhaupt erst entstehen.

 

Das „Dazwischen“ ist viel mehr als bloß eine räumliche Leere oder eine zeitliche Unterbrechung. Vielmehr durchzieht es alle Bereiche des menschlichen Lebens. Wahrnehmung und Bewusstsein sind Phänomene des Dazwischen, denn wir sind immer zugleich Subjekt (Wahrnehmendes) und Objekt (Wahrgenommenes) und Körper und Geist zugleich.

Selbst die Gesellschaft ist weitaus mehr als die Summe aller Individuen, sie zeichnet sich gerade durch das aus, was sich intersubjektiv zwischen den Menschen abspielt. Denn das Ich wird eigentlich erst dann zum Ich, wenn es einem anderen Ich begegnet. Sinnigerweise setzt sich das japanische und chinesische Wort für „Mensch“ daher auch aus den beiden Schriftzeichen für „Zwischen“ (ma) und „Mensch“ zusammen, bezeichnet also gewissermaßen den Ort oder Raum zwischen Mensch und Mensch.

Auch in der Kunst spielt das Dazwischen als raum-zeitliches Konzept eine wichtige Rolle, wie sich beispielsweise an der besonderen Magie der Stille zwischen dem letzten Klang eines Orchesters und dem ersten Klatschen des Publikums zeigt. In der Architektur tritt es uns beispielsweise in Entwürfen entgegen, die Gebäude nicht bloß als ästhetisch gelungene Fassaden verstehen, sondern besonderen Wert auf die Beschaffenheit des innerhalb der Außenwände entstehenden Zwischenraums legen, auf das Spiel von Licht und Schatten genauso wie auf dessen gemeinschaftliche Nutzbarkeit.

 

Zur Erklärung, was ist KAISEKI : https://www.miomente.de/entdeckermagazin/kaiseki-die-kunst-der-kulinarischen-verfuehrung/

 

die referenten

 Prof. Dr. Fabian Schäfer ist Inhaber des Lehrstuhls für Japanologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Dort lehrt und forscht er zu den Themen Mediengeschichte und -theorie, zur japanischen Philosophie des 20. Jahrhunderts (insb. der Kyōto-Schule) sowie den gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Auswirkungen der Digitalisierung in Japan. www.japanologie.phil.fau.de/person/fabian-schaefer/

Ben Heinrich hat ein Büro für Landschaftsarchitektur & Gartendesign und forscht im „Feldlaboratorium“ an Geschmack und Form. Auf einem wilden Feld, an einem geheimen Ort wird archaisch gekocht (#archaischkochen) mit Dampf & Rauch, rauh in der Zubereitung, fein auf dem Teller, mit Zutaten des Ortes und der Zeit. www.feldlaboratorium.de

 

Anmeldung zur Denkwoche

preise

1.890€ im Einzelzimmer

1.680€ p.P. im Doppelzimmer

Beinhaltet ein opulentes Frühstück, ein 2 gängiges Mittagsmenu und ein 3 gängiges Abendmenu, Pausengetränke und Obst zu jeder Zeit. Alkoholische Getränke sind nicht enthalten.

Alle Preise inkl. Mehrwertsteuer.

Für Ihr Wohlbefinden fühlt sich die gesamte Équipe d’Orion zuständig. Sprechen Sie uns gerne schon vor Ihrer Buchung an!