01. - 07. Oktober 2023:
Walter Benjamin - Das Passagen-Werk - Die Gegenwart in der Vergangenheit: Kultureller Wandel europäischer Gesellschaften – in Architektur, Warenwelt, Mode - am Beispiel der Metropole Paris im 19. Jahrhundert
Liebe Denkerin, lieber Denker,
wer auf der Suche nach Inspiration und Erholung ist und der Kunst des gelingenden Lebens auf die Spur kommen möchte, der ist im Château d’Orion, dem Gäste- und Kulturhaus am Fuße der Pyrenäen, genau richtig. Wo könnte man besser über Wesentliches nachdenken als unter der alten Platane mit Blick auf Wiesen, Weiden und Wälder oder vereint um einen prasselnden Kamin?
Walter Benjamin wurde von Susan Sontag, der saturnische Held der Moderne, der letzte Intellektuelle" genannt. Von Pierre Klossowski gar ein "Visionär, dem der ganze Bilderreichtum eines Isaias zur Verfügung stand". Ihn, einen der bedeutendsten Philosophen und Literaten des 20. Jahrhunderts, mehr noch, sein rätselhaftes, vielgestaltiges und für viele kaum zu fassendes "Passagen-Werk" zum Zentrum einer Denkwoche zu machen, braucht Mut. Es tritt uns ein mosaikartiger Kosmos aus Philosophie, Literatur, Soziologie, Marxismus, Stadtarchitektur, Psychologie und Theologie entgegen, den zu fassen vom Leser Muße, Neugier und Empathie erfragt. Mit dem Passagen-Projekt versucht der Sprachmagier Benjamin eine Standortbestimmung der eigenen Zeit zu gewinnen, indem er urbane Phänomene des frühen 19. Jh. betrachtet und analysiert.
1927 bis 1929 zunächst als Zeitungsartikel gedacht, sammelte Benjamin Material über die Pariser Passagen. Er typisierte diese neue architektonische Form als Tempel der Ware, als den Beginn einer neuen Umgangsform mit dem, was Ware ist. Es stellt sich hier Architektur in den Dienst eines neuen ökonomischen Prinzips mit dem Angebot in Schaufenstern, mit der edlen Zurschaustellung dessen, was Wünsche und Begehren verheißt. Einkaufen wird zum festlichen Vorgang. Mit diesen das Angebot feiernden, am Abend mit Gas und am Tag durch Oberlicht erleuchteten innenräumlichen Außenräumen, mit den neuen Materialien Eisen und Glas beginnt der Feldzug der Ware und Werbung und der Mode, der in der Geschichte ein siegreicher wurde. Der langsame gesellschaftliche und psychologische Prozess der Entfremdung des Menschen von sich selbst und nachgerade seine Verdinglichung wird in der Kunst der Architektur sichtbar. Indem er in den Glas gedeckten Gängen und Straßen die ökonomischen Bedingungen und Strategien der kapitalistischen Gesellschaft zeichnet, benutzt Benjamin konsequenter Weise auch Erkenntnisse der Psychoanalyse, der Traumdeutung.
Das erwies sich als monströses Vorhaben. "Die Arbeit über Pariser Passagen setzt ein immer rätselhafteres eindringlicheres Gesicht auf und heult nach Art einer kleinen Bestie in meine Nächte, wenn ich sie tagsüber nicht an den entlegensten Quellen getränkt habe. Weiß Gott, was sie anrichtet, wenn ich sie eines Tages frei lasse. Er wird etwas später sagen: ...vor allem, worum es mir in Zukunft geht, ist mein Buch "Pariser Passagen."
Im März 1934 nahm Benjamin im Pariser Exil die Arbeit an den Passagen wieder auf und formulierte den Kern des Projekts mit dem "Fetischcharakter der Ware".
Die verschiedenen Teile dieses Werks auch über die Warenhäuser, den Flaneur, die Boheme, das Paris von Georges-Eugène Haussmann, über Baudelaire und vor allem das Kapitel Paris, die Hauptstadt des XIX. Jahrhunderts wuchsen verschieden schnell, der Baudelaire-Teil (wohl aus finanziellen Gründen) am schnellsten. Er sah sein Schreiben als ein "Wettrennen mit dem Krieg"; er empfand es als Triumph, dass er Teile des Werks vor dem Weltuntergang unter Dach und Fach gebracht hatte. Die Passagen wurden sein Vermächtnis.
Wir werden mit Benjamins Biografie beginnen, die Architektur der Passagen der Pariser Stadtstruktur mit viel Bildmaterial studieren und uns dann unserem Hauptthema, dem Passagen-Werk, vor allem dem Band 1 zuwenden.
In einem Blog werden wir eine Art Reiseführer durch das Werk geben.
Hans-Joachim Mattke im Oktober 2022
Literaturhinweis:
Walter Benjamin, Das Passagen-Werk (2 Teilbände), Suhrkamp Verlag, ISBN-10 : 3518285351, ISBN-13 : 978-3518285350
der referent
Hans-Joachim Mattke ist 1944 in Breslau geboren. Seine Kindheit und Jugend hat er in Stuttgart verbracht. Er studierte Germanistik, Romanistik und Philosophie in Tübingen. Es folgte ein zusätzliches Studium der Theaterwissenschaften und Regie in Wien. Viele Jahre lehrte er an Lehrerseminaren in Deutschland und USA und gab Unterricht an gymnasialer Oberstufe in Stuttgart in Literatur, Kunstgeschichte, Drama und Theater sowie über 20 Jahre hinweg Literaturkurse an Summer Colleges in USA. Über Jahrzehnte reiste Mattke immer wieder nach New York, Washington und Hawaii als Berater im Bereich „teaching quality“. Hans-Joachim Mattke ist Autor des Stücks: „John Cage und Mark Rothko – Warum haben Leute mehr Angst vor neuen Ideen und nicht vor alten“ (Uraufführung am 24. 11. 2012 im Theaterhaus in Stuttgart). Er realisierte ein Theater mit Jugendlichen, Crossover mit Musikern und Schauspielern, Profis und Amateuren: Strawinskys „Die Geschichte des Soldaten“ in Stuttgart und Salzburg. Zuletzt hat er gemeinsam mit dem Pianisten Wenzel Gummer das szenische Konzert „Doktor Faustus – zwischen Beethoven und Schönberg“ kreiert, mit großem Erfolg in München uraufgeführt wurde. Weitere Aufführungen folgen 2022 und 2023.
Anmeldung zur Denkwoche
preise
1.980€ im Einzelzimmer
1.770€ p.P. im Doppelzimmer
Beinhaltet ein opulentes Frühstück, ein 2 gängiges Mittagsmenu und ein 3 gängiges Abendmenu, Pausengetränke und Obst zu jeder Zeit. Alkoholische Getränke sind nicht enthalten.
Alle Preise inkl. Mehrwertsteuer.
Für Ihr Wohlbefinden fühlt sich die gesamte Équipe d’Orion zuständig. Sprechen Sie uns gerne schon vor Ihrer Buchung an!