Ein Stern im Béarn
…heißt der Titel des Buches, das eine befreundete Autorin geschrieben hat.Wie es dazu kam, ist auch schon wieder eine Geschichte. Claudia Tebel-Nagy wollte sich eigentlich nur ein wenig erholen unter der Platane mit Blick auf die Pyrenäen. Bei ihrer Ankunft tippelte mit kleinen, unbeholfenen Schritten eine schmales Persönchen an ihr vorbei, einen Stock in der Hand, auf ihren Lippen ein Lächeln: „Bonjour Madame!“ grüßte Madame Marguerite Labbé, die Tochter von Léon Bérard, ehemaliger Erziehungsminister der dritten Republik und im Krieg Botschafter im Vatikan.Chateau d’Orion war ihr als Erbe von ihrem Mann Jean Labbé zugedacht, gewünscht hatte sie sich das nicht. Denn sie besaß weder die Kraft noch die Möglichkeiten, das langsam zerfallende Gemäuer aufrecht zu erhalten. Nach langer Überlegung verkaufte sie es an uns, eine deutsche Familie. Keine einfache Entscheidung, schließlich barg das Haus während des 2. Weltkrieges einen Hort der Resistance. Ihr Schwager Paul Labbé hatte dieses Netzwerk gemeinsam mit Freunden und Kameraden gegründet. An der Einfahrt zum Schloss wurde 1985 dazu eine Stele errichtet.Unsere erste Begegnung fand an Ostern 2002 statt. Nieselige Apriltage, die Erinnerung an feuchte Luft auf der Haut und einem quietschenden Gartentürchen zwischen Kirchhof und Schlossübergang. Fröstelnd traten wir ein in ein Haus, das beim Betreten der Eingangshalle schon dieses seltsame „Es war einmal …“ Gefühl hervorruft. Der Literat Emanuel Berl, der eine Tochter des Hauses ehelichen wollte und verschmäht wurde, gab bei einem Interview mit Patrick Mondiano zu Protokoll: „Ich liebe dieses Orion, das Haus, in dem einen der Duft der Erinnerung die Nüstern aufblähte.“ Das war aber schon in den frühen 40er Jahren des 20. Jahrhunderts. Wie mußten wir uns erst fühlen, nachdem Château d’Orion schon seit den 80er Jahren einen verwunschenen Schlaf führte? In seiner Mitte Madame Marguerite Labbé, eine Schlossherrin, die zwischen Kemenate, Kirche und Küche hin und her wandelte, einmal täglich dort aus dem scheppernden, rostigen Kühlschrank eine Creme Caramel oder ein Joghurt herausziehend.Man könnte wahrlich ins Erzählen verfallen, weil da so viele Türen zu immer neuen Erinnerungen führen. Bleiben wir bei der Begegnung von Claudia mit Marguerite. Später würde sie sagen, das war ein coup de foudre. Claudia Tebel-Nagy war blitzschnell überzeugt, dass es sich lohnte, die Geschichte der ehemaligen Besitzerin aufzuschreiben. Ja, dass es sogar ein leidenschaftlicher Wunsch wurde.Lange Gespräche zwischen den beiden folgten und die Idee zu einem Roman reifte.Ach ja, es muss wohl noch gesagt werden, dass Marguerite Labbé noch heute in ihrem Zimmer lebt. Sie verläßt es nicht mehr, lebt in ihrer Welt mit ihren Erinnerungen und wird versorgt durch die Equipe von Château d’Orion. Sie wird nicht müde zu schätzen, dass das Haus zu neuem Leben erwachte und dafür findet sie auch Worte:„Ich liebe Sie, die Sie dieses Haus lieben, das so geliebt wurde, von denen, die ich geliebt habe!“