Ist unsere Sprache noch zeitgemäß?
Am Anfang haben wir keinen Begriff von der Welt. Erst die Sprache gibt uns einen Zugang zu den Fixpunkten und ihren Beziehungen zueinander, geformt durch soziale Interaktion. Sprache ist unsere Schnitstelle zur Außenwelt. Ohne eine gemeinsame Sprache haben wir keinen Zugang zur Welt und die Welt keinen Zugang zu uns. Wenn wir unsere eigene Lebensgeschichte in die frühesten Lebensjahre zurückgehen, scheint die Sprache schon immer da geswesen zu sein. Als hätten wir vorher nicht exisitert. So kommt das Erreichen der Sprachfähigkeit einer zweiten Geburt gleich, einer Geburt aus der Isolation der Sprachlosgikeit in das Miteinander der Mündigkeit im sozialen Gefüge.Doch weder wir, noch die Welt, die wir durch unsere Sprache zu erfassen versuchen, werden morgen die gleichen sein wie heute, sind wir doch schon heute nicht mehr die gleichen, die wir gestern waren. So muss sich auch die Sprache, die Schnittstelle zwischen Innen- und Außenwelt, ständig weiterentwickeln. Denn folgt man der These der Linguistischen Relativität, dann ist die Art und Weise wie wir denken, stark durch die semantische Struktur – Grammatik und Wortschatz – unserer Muttersprache geprägt. Fehlen uns die Worte, wird unsere Sicht auf die Dinge eingeschränkt. Ausgehend von dieser Annahme adressieren Alicia Escott und Heidi Quante in Ihrem öffentlich partizipativen Kunstwerk „The Bureau of Linguistical Reality“ den Mangel an passenden Wörtern, um unsere Welt im Wandel zu begreifen. Mit einem Ruf nach Wortneuschöpfungen, die unsere Erfahrungen in der Gegenwart und die Wechselwirkungen unserer Umwelt treffend beschreiben, wollen sie zu einem besseren Verständnis unserer Lebensumwelt im Wandel beitragen. Ein Wandel, der sich am besten mit dem Begriff des Anthropozän beschreiben lässt, übrigens auch so eine umstrittene Wortneuschöpfung.Ich freue mich schon sehr darauf, als Stipendiat die Denkwoche „Sprache im Wandel“ zu begleiten und gemeinsam die Grenzen der Sprache, die Grenzen der Welt zu verschieben.Von Kurt Bille