Die Abwesenheit des Schöpfers

Wir sind physische Wesen in einer physischen Welt, zumindest bis auf absehbare Zeit. Dabei bestimmen unsere Beziehungen zu den Objekten, die uns umgeben, unser Verhältnis zur Welt an sich. Eine Beziehung, die sich jeden Tag durch Interaktion erneuert. Die Welt der Objekte entsteht jedoch nicht zufällig, sie ist von Menschenhand geschaffen. Im Schöpfungsprozess sind wir es, die über die inhärenten Qualitäten eines Objektes entscheiden, die im Moment der Interaktion wieder auf uns zurückfallen. Somit wird die Welt der Objekte zu einem Verstärker für die vorherrschenden Werte einer Gesellschaft.

In einer industrialisierten Gesellschaft sind es die Werte der Massenproduktion: Uniformität und damit Substituierbarkeit. Durch die Automatisierung der industriellen Produktion wurden Kosten gesenkt und die produzierten Objekte für einen größeren Teil der Gesellschaft zugänglich, Wohlstand wurde geschaffen. Gleichzeitig wurde aber auch das den Objekten innewohnende Potenzial zur Resonanz beschnitten. Eine Resonanz, die aus der Anwesenheit des Schöpfers in seinem Werk entsteht. Die Objekte, mit denen wir heute interagieren sind jedoch größtenteils nicht mehr das Ergebnis der individuellen Entscheidungen eines Schöpfers, sondern standardisierter Prozesse. Der Schöpfer ist abwesend. 

Im Übergang vom Produzenten zum Konsumenten löst sich die Erfahrung der Selbstwirksamkeit auf.  Das schöpferische Potenzial und damit auch die Formbarkeit der Welt gerät in Vergessenheit. Im gleichen Maße wie die Distanz zwischen Subjekt und Objekt, wächst die Ausgesetztheit in einen Status-Quo. Aber auch der Status-Quo ist nur eine mögliche Manifestation. Die Welt um uns herum ist formbar.

Es ist daher die Vision von SALON KLOTZ, diejenigen zu unterstützen, die über das Wissen und die Fähigkeiten verfügen, die Welt der Objekte mit ihren eigenen Händen zu erschaffen, ihr Gestalt zu geben. Indem wir Bewusstsein für ihr erstaunliches Werk schaffen, können wir zu einer nachhaltigeren Lebensweise beitragen. Eine Lebensweise der Resonanzfähigkeit, in der alle Objekte mit denen wir uns umgeben etwas bedeuten, mit uns resonieren. Somit entheben wir die Welt der Objekte ihrer künstlichen Stummheit.

Im Gegensatz zu den automatisierten und blinden Prozessen der industriellen Produktion bedeutet jede handwerkliche Arbeit ein Opfer von Zeit und Mühe. Es ist das freiwillige, leidenschaftliche Opfer des Schöpfers, das kunsthandwerklichen Arbeiten ihre universelle Qualität verleiht und beim Betrachter unabhängig der ästhetischen Präferenz Widerhall findet. Das Opfer ist der Subtext, der unter der selektiven Wahrnehmung des Geschmacks hindurch gleitet und die Wertschätzung weckt. Die Grundlage für Resonanz. Maschinen opfern nicht.

Indem wir uns mit Objekten umgeben, die uns etwas bedeuten, weil sie ihren Schöpfern etwas bedeuteten, können wir mit den Mechanismen des rasanten Konsums brechen und zu einer aufmerksameren Beziehung zur Welt der Objekte gelangen. Wir können Begleiter fürs Leben finden und nicht nur für eine Saison.

Und ja Kunst kommt von Können, in einem chronologisch-historischen Sinne. Bis zur Renaissance war die Malerei ein Handwerk, ausführendes Medium zur Selbstinszenierung für Kirche, Adel und erfolgreiche Kaufleute. Erst im Verlauf der Renaissance trat der Maler zunehmend als Künstler mit eigener Sichtweise, eigenem Ausdruck und eigener inhaltlicher Aussage in den Vordergrund. Der Begriff des Malers als Dienstleister wandelte sich zum Begriff des selbstständigen Künstlers. Zwar stellte die handwerkliche Meisterschaft immer noch die Basis, aber nur als ein Mittel für den eigenen Ausdruck und nicht als Selbstzweck. Auch wenn die Distanz zwischen inhaltlicher Aufladung und technischer Ausführung hier noch vergleichsweise gering ist, klingt das hierarchische Verhältnis zwischen beiden Aspekten bereits durch.

Der Höhepunkt in der Distanzierung von technischer Umsetzung und inhaltlicher Aufladung findet sich in der Pop-Art des 20 Jahrhunderts und lässt sich populär am Beispiel von Marcel Duchamps Readymades illustrieren. Aber auch die Entkopplung des Künstlers vom eigentlichen Schöpfungsprozess, wie in Andy Warhols Factory vorgelebt und heute von Künstlern wie Takashi Murakami und Jeff Koons in exponentieller Weise weitergeführt, verdeutlicht die zunehmende Loslösung von Umsetzung und Konzeption. Was in der Vergangenheit in Personalunion durch den Künstler geleistet wurde, kann unter einem zeitgenössischen Kunstverständnis durchaus getrennt werden. Durch die Auslagerung der Umsetzung und die konzeptionelle Leistung des Künstlers werden so Formate möglich, die die Schöpfungskraft des einzelnen übersteigen. Architektonische Verhältnisse.

Ich kann und möchte hier keine umfassende kunsthistorische Betrachtung leisten, noch gibt es ein homogenes Gebilde, wie es der Begriff „der Kunst“ suggeriert. Es geht wie immer um die Verhältnisse der Dinge zueinander, in Triangulation zwischen Objekt, Begriff und Gesellschaft. Ich möchte nur daran erinnern, dass Kunst und Handwerk trotz des heute distanzierten Verhältnissen einen gemeinsamen Ursprung teilen. So sind die beiden Begriffe keine Gegensätze, nur unterschiedliche Positionen auf einer Achse, die an einem Ende in die Fokussierung auf die reine inhaltliche Konzeption mündet und am anderen Ende auf die reine technische Umsetzung. Kunst und Handwerk sind Überbegriffe für das Spektrum einer Vielzahl an Positionen, die sie auf dieser Achse umfassen. Das Kunsthandwerk beschreibt die Schnittmenge dieser beiden Spektren, denn ihre Grenzen verschwimmen. Das Kunsthandwerk lässt sich demnach am besten beschreiben als künstlerische Praxis, die ausgehend von der intensiven Auseinandersetzung mit einem Material eine Grenzverschiebung, einen Ausdruck und somit eine inhaltliche Verarbeitung erlaubt.

Indem wir das, was in der bisherigen Kategorisierung getrennt war, an einem Ort zusammenführen, ohne die bestehenden Definitionen zu zitieren, werden die Konnotationen der jeweiligen Kategorie ausgeblendet und das Objekt selbst rückt wieder in den Mittelpunkt der Wahrnehmung. Damit reagieren wir auf die schemenhafte Natur der Kategorisierung und verhindern, dass die bestehende Wertehierarchie zwischen den Kategorien fortbesteht. Ohne den Kontext einer Kategorie liegt alles im Auge des Betrachters. Oder wie es Hans Vaihinger in seiner Philosophie des Als-Ob ausdrückt „Aus der Mechanik der Empfindungen sprang jene Form: Ding und Eigenschaft heraus, welche doch nicht in den Empfindungen selbst lag.“

Kurt Bille

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