Der Gott der Philosophen - 6 rationale Zugänge zum religiösen Glauben

Diese Denkwoche war eine synaptische Achterbahnfahrt, die mir ungebremst, rauchenden Kopfes, einen geweiteten Blick bescherte, der wohl auch heute noch, zwei Monate später, meine Weltsicht bereichert.

„Der Gott der Philosophen“, so war die Denkwoche vom Professor der Philosophie, Dr. Rudolf Lüthe betitelt, hätte wohl als Eigenlob der Superlative missverstanden werden können, doch von solch einer Arroganz kann vonseiten des Referenten mitnichten die Rede sein. Mit seiner bedächtigen und überaus amüsanten Art vermittelte Dr. Lüthe komplexe Ideen zu rationalen Zugängen zu Gott – und war so wie WD-40 für die anfangs leicht angerosteten Zahnräder meiner Gedankengänge. Als Studentin der Psychoanalyse messe ich Emotionen gegenüber Kognitionen mit Vorliebe eine besondere Wichtigkeit bei, daher ein kleiner Einblick in das Durcheinander der Gefühle: Ich durchlitt in dieser Woche Emotionen von Freude, Amüsement und Geborgensein – aber auch wilde innerliche Aufschreie. Ich betrat die Woche als vermeintliche Atheistin und verließ sie wohl als Agnostikerin, mit einem großen Fragezeichen versehen.

Entrüstet war ich ob der versuchsweise vorgenommenen Entmachtung Gottes als mögliche Beantwortung der Frage der Theodizee. Letztere: Die Frage nach der Vereinbarkeit von all dem Leid und Unglück dieser Welt mit der Existenz Gottes und Kern meines Nicht-Glauben-Wollens und meiner Selbstwahrnehmung als Atheistin. Und nun soll Gott ein Wesen sein, dessen Schöpfung, imperfekt, als work in progress, in einer Experimentierphase stecke?

Was mir erst als billige Ausrede vorkam, ließ mich letztlich als ziemlich konservativ dastehen. Ich klammerte mich so lange an das omnipotente Gottesbild fest bis ich den eigenen Konservatismus bemerkte und erstaunt feststellte, dass Gott in entmachteter Form sich besser ins derzeitige Weltgeschehen einfügen könnte als in meiner ursprünglichen Vorstellung.

Wir lernten, zwischen Glauben, Wissen und Meinen zu unterscheiden. Dass Romantik den spirituellen Zugang durch einen ihr zugrunde liegenden Humor ergänzt. Als bewundernswert empfand ich dabei, dass der Referent seinerseits seine work in progress, so offen zur Schau und zur Debatte stellte. (Prof. Dr. Lüthe ist aktuell dabei, ein Buch zu den rationalen Zugängen zu Gott zu verfassen.) Spätestens zur Hälfte der Denkwoche entbrannten hitzige Diskussionen zwischen den Anwesenden und immer wieder verblieben wir in ratlosem Staunen, um uns dann - mit mal mehr, mal weniger verstrichener Zeit – einem tieferen Verstehen anzunähern. Dass wir nebst philosophischer Nahrung auch kulinarisch bestens versorgt wurden, möchte ich aus Dankbarkeit zu Ben, Sophia und manchertags der wunderbaren Iris, dem famosen Küchenteam, nicht unerwähnt lassen. Intensive geschmackliche Welten mit Wums auf einer Basis von Weißwein, Butter und Knoblauch wurden uns eröffnet und trieben das Gruppenerlebnis mittags und abends auf weitere freudvolle Höhepunkte.

Ich bin nun schon zum zweiten Mal als Praktikantin, und erstmalig als Stipendiatin des Freundeskreises Château d‘Orion e.V., im Schlössle gelandet. Und habe mich erneut gerne und in Gänze in dessen Geschäftigkeit, Lebendigkeit und Fröhlichkeit fallen gelassen. Es ist wahrlich ein Geschenk, eine Woche Zeit zum Denken und Debattieren zu bekommen und sich in zwangloser, freudvoller Atmosphäre auszutauschen und kennenzulernen.

Ich danke von Herzen denjenigen, die diese einzigartige Woche voll Gelächter, Gedanken und Gemüse ermöglichten und mit ihrem Da-Sein und So-Sein die Zeit so unvergesslich und berührend machten. Insbesondere natürlich Tobi und Elke, den beiden wunderbaren Gastgeber*innen, Prof. Dr. Lüthe, für seine Geduld und seinen Mut, uns auf eine gedankliche Reise mitzunehmen, die er selbst noch nicht ganz abgeschlossen hat und dem Freundeskreis Château d’Orion e.V. für die Möglichkeit, an einem so fulminanten Denkerlebnis teilhaben zu dürfen.

 

Laura Zentek

Praktikantin und Stipendiatin in Château d’Orion 2019 und 2021