Vom Zauber der Naturwissenschaft
Auch eine Geisteswissenschaftlerin lässt sich verzaubern
Ernst Peter Fischer ist der Wissenschaftshistoriker, der sich schon 1999 heftig wehrte gegen die Feststellung des Bestsellerautors von „Die Bildung“, Dietrich Schwanitz: “Naturwissenschaftliche Kenntnisse müssen zwar nicht versteckt werden, aber zur Bildung gehören sie nicht.” Offen gesagt, gehörte ich zu den Menschen, die gerne mal ein Gedicht von Rilke zitieren oder ins Theater gehen, wenn es aber darum ging, die Quantenmechanik zu erläutern, dann war ich gerne bereit, abzuwinken und dies für eine Geisteswissenschaftlerin als weniger relevant zu betrachten. Wenn einer es geschafft hat, mich davon zu überzeugen, dass die Dinge zusammengehören, dann ist es Ernst Peter Fischer. Bildungskultur ist eben nicht teilbar in entweder Poesie oder Physik. Und werde ich ihm auch noch „Durch die Nacht" folgen, denn er hat in seinem gleichnamigen Buch auf berauschende Weise die Naturgeschichte der Dunkelheit beschrieben. Ernst Peter Fischer ist und bleibt der Erzähler, der sich mutig dem Wechselspiel des kulturellen Erbes stellt.Dazu habe ich ihm drei Fragen gestellt:Was ärgert Dich daran, wenn Menschen Mozart und Rilke kennen und das für Bildung halten, während sie es keineswegs für notwendig erachten, von Nils Bohr gehört zu haben?Fischer: Ich bin sicher, dass viele Leute die Namen Mozart und Rilke, nicht aber deren Werke oder Künstlertum kennen. Warum dann nicht auch Bohr und Heisenberg? Beide haben die Welt erklärt, in der wir Menschen leben. Das lohnt sich zu wissen.Bei Bohr mag ich besonders die Anekdote mit dem Hufeisen. Wenn ich mich recht erinnere, geht das so: Er hat ein Hufeisen am Eingangstor. Darüber wundern sich die Studenten des Naturwissenschaftlers. Worauf er antwortet: „Es kann ja nicht schaden!“ Was ist an dieser Geschichte das Besondere?Fischer: Die Anekdote geht so, dass Bohr am Ende sagt: „Ich glaube nicht an Hufeisen, aber ich habe gehört, sie wirken auch dann, wenn man nicht daran glaubt“. Es geht Bohr um das Spiel mit der Sprache, das auch beim Erkennen gespielt wird. Du weißt doch, liebe Elke, keine Katze hat zwei Schwänze. Eine Katze hat einen Schwanz. Keine Katze und eine Katze sind eine Katze. Also hat eine Katze drei Schwänze! Oder was?Naturwissenschaftliche Erkenntnisse sind Meilensteine unserer Geschichte, aber nun behauptest Du, sie können uns verzaubern?Fischer: Naturwissenschaftliche Erklärungen vertiefen das Geheimnisvolle und verzaubern dadurch die Dinge. Denn das Schönste, was ein Mensch erleben kann, ist das Gefühl für das Geheimnisvolle.Liebe Leser, dem kann nicht widersprechen und freue mich, während einer Juni-Denkwoche an unserem inspirierenden Ort noch über vieles mehr mit Ernst Peter Fischer denken und austauschen zu können. Seien Sie dabei – „Die Verzauberung der Welt“ wird uns alle berauschen!