Glücksdenker unter der Platane

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…es hätte ja nicht unbedingt ein Schloss sein müssen,

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...um dem Denken eine Heimat zu geben. Klar war nur, dass ich die Denkwochen nicht mit dem Köfferchen in der Hand um die Welt tragen wollte, sondern einen Ort gesucht habe, der sinnlich und sinnvoll genug wäre, den Raum dafür zu schaffen. Und Ästhetik mit Geist zu verbinden, das war schon eine stille Sehnsucht. Schließlich hatte man mich mal „Atmosphärenmanagerin“ getauft.Doch dann tauchte dieses Dornröschen-Gemäuer in unserem Leben auf, das zu verfallen drohte und an einem Flecken Frankreichs lag, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Das Béarn. Château d’Orion, ein trauriger Anblick mit großer Tradition, schmutziger Fassade und morschen Fensterläden. Es konnte durch seine Besitzerin, Madame Marguerite Labbé, nicht mehr erhalten werden.Es nieselte an jenem Tag im April 2003, als wir zum ersten Mal das quietschende Türchen zwischen Kirche und Haus geöffnet haben. Was soll ich sagen, ich bin ihm sofort verfallen. Die mich begleitende Familie winkte ab, sahen sie doch, das das, was da auf zukam, kaum zu stemmen war. Wir saßen in zerschlissenen Fauteuils, überall hingen Spinnweben, die Bilder an den Wänden vom langen Hängen ohne Betrachter.Es kam mir vor wie ein Märchen. Und doch, es ist keine reine Erfolgsgeschichte, die da zu erzählen ist. Bisher jedoch haben die Termiten, die schließlich aus dem Gemäuer flogen, nicht gesiegt. Es gibt es immer noch, das Château d’Orion, das von vielen seiner Gäste zum Denkschloss geadelt wurde.Immer wenn ich wieder ein kleines Fundstück aus alter Zeit in Händen halte, das mir erzählt, wie es einst wohl gewesen sein mag, wenn ich in der Schatzkiste der Vergangenheit wühle, bin ich erneut angezogen von den Erzählungen der Dinge.Und dann diese mächtige Platane unter der wir so oft sitzen und uns die Haare raufen, um zu Erkenntnissen zu gelangen oder lachend dem Glück der verweigerten Antwort folgen, das vom Philosophen Rudolf Lüthe als mögliche Lösung angeboten wird. Immer wieder zieht es uns dorthin, weil sie uns beschirmt und inspiriert zugleich. Für viele ist sie der schönste Sonnenschutz der Welt. Ein Baum, der mit den Händen nicht mehr zu umfassen ist, nie gestutzt wurde und daher zu voller Schönheit erwachsen ist. Eine Platane, die zur Revolutionszeit gepflanzt worden sein soll. Was will sie uns damit sagen?Woran mag es liegen, wenn Menschen, die über die Schwelle treten, sich wie ein Fisch im Wasser fühlen oder sagen, das sei irgendwie wie nach Hause kommen, obwohl sie noch nie dort waren?Es ist sicher nicht alleine auf das alte Gemäuer und die Kleinodien aus vergangenen Epochen, die einen überall begrüßen, zurück zu führen. Mag sein, dass der Geist der Vergangenheit einem die „Nüstern aufbläht“, wie es der Philosoph Emanuel Berl einmal beschrieben hat.Nein, es hat etwas mit all den Menschen zu tun, die hier einkehren, die hier arbeiten, die es beleben, die daran glauben, die sich anstrengen: Liebe und Leben zurückzugeben, wo ein Verfall immer Nähe rückte. Und es war in der Tat die alte Dame, Madame Labbé, die noch immer in ihrem Zimmer als Châteleine von uns geachtet wird, die uns diesen Leitsatz mit auf den Weg gegeben hat: „L’amour et vie sont de retour dans cette maison!“